Das Krankenversicherungsgesetz (Sozialgesetzbuch fünftes Buch) sieht vor, dass der Gemeinsame Bundesausschuss - ein Gremium bestehend aus Ärztinnen und Ärzten, Krankenkassen und Patientenvertretern – eine Hilfsmittelrichtlinie beschließt, in der auch die Verordnung von Hörgeräten geregelt ist. Diese Richtlinie müssen die Krankenkassen, die Ärzte und die Hörgeräteakustiker dann verbindlich anwenden.
Der Abschnitt Hörhilfen dieser Hilfsmittelrichtlinie wurde nun überarbeitet und modernisiert. Als Patientenvertreter haben Renate Welter von der Deutschen Gesellschaft der Hörbehinderten – Selbsthilfe und Fachverbände (DG), Wolfgang Buchholz vom Deutschen Schwerhörigenbund (DSB) und Franz Hermann von der Deutschen Cochlea Implant Gesellschaft (DCIG) daran mitgewirkt.
Die Richtlinie wurde drei Jahre lang in vielen Arbeitsgruppensitzungen verhandelt. Es wurde deutlich, dass die Positionen der Ärzte, Krankenkassen und Patientenvertreter weit auseinander liegen. Während die Ärzte darauf bestanden, dass Hörgeräte immer von HNO-Ärzten verordnet werden müssen, hätten die Krankenkassen es gerne gesehen, wenn aus Kostengründen Wiederverordnungen auch direkt vom Akustiker ohne HNO-Arzt-Verordnungen hätten durchgeführt werden können. Als Kompromiss wurde erreicht, dass defekte oder verlorene Hörgeräte ohne Wiederverordnung durch einen HNO-Arzt vom Akustiker angepasst werden können und von den Krankenkassen bezahlt werden.
Den Patientenvertretern ging es in den Verhandlungen in erster Linie um die Qualität der Versorgung für die schwerhörigen Menschen. In der alten Richtlinie stand noch, dass die Standardversorgung einkanalige, linear verstärkende Hörgeräte sind. Solche Geräte werden schon sehr lange nicht mehr oder nur noch in Ausnahmefällen angepasst. Wenn solche Formulierungen aber in einer Richtlinie stehen, dann besteht die Gefahr, dass auch die Preise für die Hörgeräte daran ausgerichtet werden. Wie bekannt ist, sind die Festbeträge für Hörgeräte ja viel zu niedrig. Vielleicht liegt hier die Ursache. Da die Qualitätsanforderungen für Hörgeräte in der alten Richtlinie so niedrig waren, sind auch die Festbeträge, die dafür zugrunde gelegt werden, niedrig. Da die Schwerhörigen sich aber seit langer Zeit bessere Hörgeräte (mehrkanalige mit mehreren Programmen) anpassen lassen, kommen sie mit den niedrigen Festbeträgen nicht aus und müssen hohe Zuzahlungen aufbringen.
Die neue Richtlinie sieht vor, dass zukünftig schwerhörige Versicherte nach dem neuen Stand der Medizintechnik zu versorgen sind und die Funktionsdefizite des Hörvermögens möglichst weitgehend ausglichen werden sollen. Dabei soll – soweit möglich – ein Sprachverstehen auch bei Umgebungsgeräuschen und in größeren Personengruppen erreicht werden. Zugrunde liegt ein Urteil des Bundessozialgerichtes vom 17. Dezember 2009 (B 3 KR 20/08 R). In diesem Urteil wird beschrieben, dass die Krankenkassen Hörgeräte finanzieren müssen, die diese Ziele erfüllen.
Neu ist auch, dass zusätzlich zu einer Hörgeräteversorgung oder Cochlea Implant (CI)-Versorgung Übertragungsanlagen verordnet werden können, wenn diese erforderlich sind, um ein Grundbedürfnis zu befriedigen. Das gilt nun über die Anwendung im schulischen Bereich hinaus auch für Erwachsene. Es muss nachgewiesen werden, dass durch die Übertragungsanlage das Sprachverstehen in einem Lebensbereich notwendig ist, der zu den allgemeinen Grundbedürfnissen des täglichen Lebens gehört. Zu den allgemeinen Grundbedürfnissen des täglichen Lebens zählt u. a. sich für eine selbständige Lebens- und Haushaltsführung notwendige Informationen beschaffen zu können.
Die neue Hilfsmittelrichtlinie soll, vorbehaltlich der Prüfung durch das Bundesministerium für Gesundheit, am 01.04.2012 in Kraft treten.
Verfasserin: Renate Welter
Die Pressemitteilung des Gemeinsamen Bundesausschusses finden Sie in unserem Artikel vom 2.1.2012 oder hier.