"... Mit dem Wegfall des Landesblindengeldes wird der Grundsatz
verwirklicht, Sozialleistungen nur an Bedürftige und diejenigen Personen zu
geben, die einen Nachteil bei der persönlichen Lebensführung haben und die
notwendigen Mehraufwendungen nicht mit eigenen Mitteln ausgleichen können.
..."
Ripke spielt damit auf die Blindenhilfe nach SGB XII an, die es ja weiterhin
gibt.
Es manifestiert sich hier eine Gefahr, die ich den zweiten Paradigmenwechsel
in der Behindertenpolitik der letzten Jahre nennen möchte.
Nachteilsausgleiche, die behinderten Menschen grundsätzlich eine
einigermaßen gleichberechtigte Teilhabe an unserem gesellschaftlichen und
beruflichen Leben ermöglichen sollten, werden wieder zu Hilfen umdefiniert,
die nur sozialhilfeberechtigten Menschen zugute kommen sollen. Wer zum
Beispiel mehr als 2.600 Euro besitzt, muss dieses Guthaben, diese
Altersvorsorge o.ä. künftig grundsätzlich behinderungsbedingt aufbrauchen,
bevor ihn die Gesellschaft unterstützt. Menschen, die nun einmal ein Leben
lang behindert sind, werden auf Dauer in ein System gedrängt, das eigentlich
einmal zur Abfederung vorübergehender Notsituationen geschaffen wurde. Ihr
Los soll wieder heißen: Nachhaltige Bedürftigkeit!
Strategie oder nicht: Klar ist, dass der aktuelle niedersächsische
Kabinettsbeschluss nicht nur die Bürgerinnnen und Bürger dieses Bundeslandes
und auch nicht nur blinde Menschen trifft. In Schleswig-Holstein
beispielsweise läuft das Blindengeldgesetz Ende 2005 aus. In anderen
Ländern, in denen Nachteilsausgleiche im Rahmen umfassenderer Gesetze auch
an Gehörlose, hochgradig Sehbehinderte oder andere Gruppen
Schwerstbehinderter gezahlt werden, fürchtet oder erwartet man bereits den
Dominoeffekt. Auch eine Rundfunk- und Fernsehgebührenbefreiung oder eine
Freifahrtregelung bisherigen Zuschnitts dürfte kaum noch zu halten sein,
wenn es nicht gelingt, den sich in Niedersachsen Bahn brechenden neuen
Paradigmenwechsel aufzuhalten.
Meine besondere Bitte gilt in diesem Zusammen hang allen
Behindertenorganisationen und ihren Mitgliedern:
Die Blinden- und Sehbehindertenselbsthilfe ruft dazu auf, mit einer
Demonstration am 11. September in Hannover gegen die Abschaffung des Systems
der Landesblindengelder und ähnlicher Nachteilsausgleiche zu protestieren.
Wirkung werden wir dabei allerdings nur erzielen, wenn unsere Demonstration
eindrucksvoller und größer ausfällt als 2001 in Bremen und wenn wir
gleichzeitig noch mehr Unterstützung aus allen Behindertenorganisationen
mobilisieren können. Ich bitte deshalb darum, den Demonstrationsaufruf, den
ich dieser Mail anhänge, samt dem zugehörigen Anschreiben an möglichst viele
Menschen weiterzuleiten.
gez. Andreas Bethke
Anlagen: Aufruf zur Demonstration | Anhang